Dieser Eintrag im Reisetagebuch führt uns vom traumhaften Seward auf der Kenai-Halbinsel in Alaska mit einer Zwischenübernachtung am King Mountain zurück nach Tok. Unsere Zeit in Alaska endet dann – aber nur vorübergehend …
Abschied von Seward
Am Vorabend hatten wir bis nach Mitternacht draußen gesessen und die immer noch ungewohnte Lichtstimmung genossen. Die Bucht von Seward (Resurrection Bay) wird von Bergen eingerahmt, an denen man sich beim Spiel der Mitternachtsonne nicht sattsehen kann.
Den fehlenden Schlaf haben wir dann morgens drangehängt, sodass es schon wieder etwas höhere Temperaturen an diesem wieder mal sehr sonnigen Tag hatte, als wir uns zum Frühstück auf unsere angestammten Plätze hinter dem Camper mit Blick auf die Bucht setzten. Danach war der Abschied von Seward angesagt – aber nicht, ohne uns vorher noch zwei Stücke Sockeye Salmon vom Fang des Vortages mitzunehmen. In Seward haben wir noch aufgetankt, ein paar Kleinigkeiten eingekauft und die Propanflasche des Campers füllen lassen, die ein oder zwei Tage vorher leer geworden war. Es war absehbar, dass wir mit der zweiten Flasche nicht bis zum Ende der Tour auskommen würden.
Die Füllung hat zirka 18 Dollar gekostet, also kaum der Rede wert, wenn man den Komfort bedenkt, den uns das Gas bietet: kochen, toasten, braten auf dem Kochfeld des Campers, Betrieb des Kühl- und Gefrierschranks, wenn wir nicht ans Stromnetz angeschlossen sind (bisher waren wir erst einmal auf einem Platz mit Stromanschlüssen), die Heizung im Camper und nicht zuletzt die Warmwasseraufbereitung. Da wir i. d. R. nicht auf Campgrounds mit Waschräumen und Duschen stehen, sind wir für die Körperpflege auf die Nasszelle im Camper angewiesen. Würde zu der Enge jetzt noch kaltes Wasser kommen, wäre das doch sehr unangenehm.
Exit Glacier
Fährt man von Seward aus den Seward Highway wieder hoch Richtung Anchorage, kommt nach kurzer Zeit links die Straße zum Exit Glacier. Nach ein paar Meilen erreicht man den Parkplatz und dort gibt es vom Visitor Center aus mehrere Trails, die man laufen kann. Einer ist sogar rollstuhltauglich und entsprechend leicht zu laufen, bringt einen jedoch nur zu einem Aussichtspunkt unterhalb des Gletschers. Das Problem dort: Wegen der Vegetation am Aussichtspunkt und des fortschreitenden Rückzugs des Gletschers ist der Fuß des Gletschers dort nicht sehr gut zu sehen.
Wir sind einem weiteren Trail gefolgt, der uns direkt an den Gletscher bringen sollte. Dieser Weg war nun gar nicht mehr rollstuhltauglich und enthielt natürlich auch ein paar Höhenmeter. Für uns trotz der mittlerweile fast Mittagshitze zu nennenden Temperatur von über 20 Grad kein Problem; wir haben aber auch eine Gruppe mit älteren Besuchern getroffen, die umgekehrt sind. Respekt, dass sie es überhaupt bis dorthin geschafft haben.
Unterwegs zeigen Schilder mit Jahreszahlen an, bis wohin der Gletscher früher reichte. Auf einer Tafel war zudem ersichtlich, dass er hundert Jahre früher sogar bis zum jetzigen Visitor Center reichte. Richtig krass wird einem aber der sich beschleunigende Rückzug bewusst, wenn man am Endpunkt des Trails ankommt, an dem man 2010 noch direkten Zugriff auf den Gletscher hatte und jetzt (2016) das Ende nur noch mit gehörigem Abstand bewundern kann.
Man kann übrigens auch von Rangern geführte Touren auf den Trails machen. Wir hatten uns allerdings dagegen entschieden, weil wir wegen der Erledigungen vom Vormittag eh schon spät dran waren. Allgemein kann ich solche Touren aber nur empfehlen. Egal ob in solchen Naturparks oder z. B. in den National Historic Sites in Kanada – die Führer dort sind fachkundig, auskunftsfreudig und brennen meist für ihre Sache, was sich in der Qualität der Führung niederschlägt. Sowohl privat als auch in meiner Eigenschaft als »Canada Specialist« habe ich schon einige Male an solchen Touren teilgenommen und wurde nie enttäuscht.
Zurück auf dem Parkplatz haben wir uns dann noch einen Truck Camper mit Milepost-Beschriftung angesehen, der neben uns parkte und gemeinsam mit uns angekommen war. Augenscheinlich schickt auch die »Bibel des Nordens«, die ich Gewichtsgründen zu Hause gelassen hatte, Leute aus, um die Angaben im Buch zu verifizieren und zu aktualisieren. Die Qualität des Milepost muss ja schließlich auch irgendwoher kommen. Ich finde die Ausgabe absolut lohnend, wenn man im Norden unterwegs ist. Detailliertere Beschreibungen der Strecken findet man m. E. nirgends.
Über Anchorage zum King Mountain
Auf dem weiteren Weg haben wir nochmals am Turnagain Arm gestoppt, vor Ort mit der Hälfte des gerade erstandenen Sockeye Salmons ein Sashimi zubereitet und vor prächtiger Kulisse verzehrt. Das Leben war mal wieder gut zu uns. Nicht nur die großen Erlebnisse und Sehenswürdigkeiten auf den Touren, sondern auch mal die kleinen Stopps mit einem besondern Imbiss sind es, die oft noch Jahre später ein Lächeln ins Gesicht zaubern, wenn man sich daran erinnert. Ich denke seit diesem Tag an Alaska, wenn ich rohen Lachs esse.
Potenziellen Nachahmern sei aber hiermit gesagt, dass man roh verzehrten Fisch immer erst tiefgefroren haben sollte, um eventuelle Parasiten abzutöten. Das ist es, was mit Shushi-Qualität gemeint ist: Der Fisch war tiefgefroren und wurde wieder aufgetaut. Für unseren Fisch traf das nicht zu und wir wurden sogar beim Kauf davor gewarnt, ihn roh zu verzehren, weil er eben noch nicht gefroren, sondern absolut frisch war. Nach der Belehrung hängte die Verkäuferin mit einem strahlenden Lächeln aber noch an »That said, I am absolutely sure you will enjoy your Salmon and won’t get sick from it at all.«
An Anchorage sind wir wieder nur vorbeigefahren. Das heißt, wir wären gern vorbeigefahren. Aber erstens geht der Highway mitten durch Anchorage und zweitens ist 6 pm wohl genau dafür nicht die richtige Zeit. Zirka eine Stunde hat uns der Stau gekostet. Eigentlich völlig unproblematisch, wenn man so ganz ohne Termindruck durch den Norden fährt. Aber wir wollten heute noch ein gutes Stück Richtung Glenallen fahren, um am nächsten Tag vielleicht sogar bis nach Tok zu kommen, was uns einen zusätzlichen Tag und damit sogar die Chance verschaffen würde, trotz eines Ruhetags am Kluane Lake noch den Weg über Haines und Skagway mit der Fähre zu machen.
Unterwegs haben wir in Palmer noch aufgetankt, ein wenig Feuerholz gekauft und haben dann den State Campground am King Mountain angefahren. Ein schöner Campground, umgeben von Bergen an einem Fluss, optisch klar beherrscht vom King Mountain. Beim Einparken auf dem Campground war plötzlich meine sonst so zuverlässige Einweiserin verschwunden. Die hatte auf einer benachbarten Site einen süßen Hund entdeckt und mich beim Rangieren hängen lassen. Die Prioritäten waren dann wohl klar.
Zum Abendessen gab es den Fisch, den uns die Jungs aus Mississippi am Vortag in Seward geschenkt hatten. Einfach mit Butter, frisch gemahlenem Pfeffer, Salz und ein paar Scheiben Zitrone in Alufolie für ein paar Minuten auf den Grillrost – köstlich.
Vom King Mountain bis Tok
Für diesen Tag war nicht viel geplant – zumindest, was Aktivitäten angeht. Wir wollten einfach nur möglichst viele Meilen zurücklegen, um dann am nächsten Tag wieder zurück nach Kanada zu kommen, wo wir das letzte Drittel der Tour verbringen wollten. Tagesziel war daher Tok, bzw. ein State Park kurz vor Tok, der Eagle Trail Park. Den wollten wir uns zumindest ansehen und bei Nichtgefallen auf den Campground am Tok River ausweichen, den wir schon vom Hinweg kannten. An mögliche Überfüllung dachten wir trotz des Freitags nicht. Tok wirkte auf uns nicht wie eine Stadt, die am Wochenende hunderte oder tausende Camper ausspuckt, wie es in Vancouver, Anchorage oder auch im kleineren Maßstab sogar in Whitehorse der Fall ist.
Der Sprit müsste so gerade bis Tok reichen. Ich wollte es aber eigentlich nicht drauf ankommen lassen und unterwegs noch auftanken. Dabei hat mich aber das zum Glück recht seltene Phänomen eingeholt, dass es nicht an jeder Tankstelle Diesel gibt. Zu Beginn wollte ich noch nicht tanken, weil es sich noch nicht lohnte und ich war mir sicher, am Start des Tok Cutoff, also der Verbindung zwischen Richardson Highway und Alaska Highway, genug Infrastruktur vorzufinden. Aber entweder gab es die nicht oder ich habe sie übersehen. Erst etliche Meilen weiter den Cutoff hoch wurde ich dann an einem kleinen Trading Post fündig und etwas beruhigt. Wegen langsamer Fahrt auf dem in großen Teilen sehr schlechten Asphalt des Tok Cutoffs und recht flacher Strecke war der Verbrauch zwar niedriger als auf dem ganzen Rest der Tour und es hätte tatsächlich so gerade bis Tok gereicht, etwas wohler ist mir allerdings schon mit etwas Reserve.
Auf der ganzen Tagestour gab es übrigens recht viel zu sehen. Spektakuläre Landschaft, aber recht wenig Wildlife. Wir haben häufig gestoppt und Fotos gemacht oder einfach nur die Aussicht genossen. An manchen Punkten hätte man ewig stehen können, hätten wir nicht irgendwann auch unser Tagesziel erreichen wollen.
Eagle Trail State Park
Wir hatten unterwegs nur zum Lunch eine längere Pause an einem Aussichtspunkt gleich zu Beginn des Cutoffs gemacht und wollten daher bei der Ankunft noch ein bisschen wandern, falls wir eine Gelegenheit finden. Bei einem Campground, der Eagle Trail heißt, hatten wir berechtigte Hoffnung auf einen Wanderweg. Nach holpriger Fahrt angekommen, hat sich das auch bestätigt. Der Eagle Trail hat einen kleinen Rundweg von weniger als einer Meile angeschlossen und einen Trail zum Tok River Valley Overlook, der ca. 5 km lang ist.
Insgesamt ist der Campground schön angelegt, kann allerdings nur mit kurzen RVs genutzt werden. Pull-through-Sites gibt es nicht und für längere Gespanne finden sich auch keine Möglichkeiten. Wir waren fast allein auf dem recht weitläufigen Campground.
Wir haben uns für den Overlook Trail entschieden; mit der angesagten Länge genau richtig, um sich nach den vielen Meilen die Beine zu vertreten. Was uns vorher nicht klar war: Auf den 2,5 Kilometern zum Overlook gibt es einen Höhenunterschied von 254 Metern zu überwinden, also hat der Weg eine durchschnittliche Steigung von 10 %, die wir bei deutlich über 20 Grad Celsius auch bei jedem Schritt gemerkt haben.
Der Ausblick am Scheitelpunkt des Trails ist tatsächlich sehr schön, schlägt aber nicht die Ausblicke, die wir teils unterwegs schon vom Straßenrand hatten, z. B. auf den Manatuska Glacier am Glenn Highway. Auf dem Trail haben wir noch an der ein oder anderen Stelle recht frischen Bärenkot gesehen, den Bär dazu aber nicht. Das war auch gut so. Bären beobachte ich lieber aus dem Fahrzeug heraus als bei einer Begegnung auf einem einsamen Wanderweg.
Nach der Wanderung gab es dann das hochverdiente Grillen auf dem Campfire. Es gab Garnelen, die uns im Supermarkt in Seward am Vortag angelacht hatten. Dazu haben wir dann noch mit Mayonnaise, Ketchup, Ahornsirup, Sojasoße und Pfeffer, Salz, Cayennepfeffer und etwas Zitronensaft eine überraschend leckere Soße improvisiert. Ein köstliches Abendmahl. Man kann nicht sagen, dass wir auf dieser Tour an Mangelernährung litten.
Zusammenfassung
- Start
- Seward, Kenai Peninsula, Alaska, USA
- Ziel
- Eagle Trail State Park (nahe Tok), Alaska, USA
- Points of Interest
- Seward, Exit Glacier, Manatuska Glacier, Tok River Valley Overlook
- Fahrtstrecke
- 712 Kilometer (315 km von Seward zum King Mountain, 397 Kilometer nach Tok)
- Gefahrene Routen
- Glenn Highway, Tok Cutoff